Donnerstag, 19. Mai 2011

Jetzt hab’ ich es ruiniert...

Vor ein paar Wochen war ich beim Sticheln an meinem Quilt für Ste. Marie-aux-Mines und konnte dabei meine Gedanken wandern lassen. 

Ich fing an, über die unterschiedlichen Begriffe nachzudenken, mit denen der Wettbewerb in den verschiedenen Sprachen ausgeschrieben ist: „Enchevêtrement“ (auf Französisch), übersetzt als „Tangle“ für English und als „Geflecht“ für Deutsch. (Ich halte diese Übersetzungen für etwas problematisch, da ein tangle eine völlig unübersichtliche Situation ist, die man lieber nicht haben will, während ein Geflecht immerhin eine gewisse Ordnung enthält, selbst wenn man einer Geflecht-Situation vielleicht auch nicht leicht entkommen kann – aber das ist eine andere Geschichte und ich will hier nicht in linguistische Feinheiten abgleiten...)
Während ich also über diese Titel-Feinheiten nachdachte, wurde mir ziemlich deutlich bewusst, dass ich neben der Arbeit an diesem Quilt auf jeden Fall noch ein anderes Projekt zum Maschinenähen brauchte, mit dem ich meinen rechten Mittelfinger entlasten könnte (ich benutze bei diesem Top keinen Fingerhut, weil dadurch die Faden ständig durchgescheuert werden.) Mir wurde aber gleichzeitig auch bewusst, dass ich vielleicht einen zweiten Quilt hätte, den ich in Ste. Marie-aux-Mines einreichen könnte, wenn ich es schaffen würde, beide rechtzeitig fertigzustellen.

Gleich nach Weihnachten hatte ich ein Top begonnen, das ebenfalls Teil meiner Serie „Linienspiele“ werden sollen, wieder nach einer Zeichnung meines Sohnes als Inspiration.
Allerdings war die Verwendung dieser Zeichnung als Anregung diesmal etwas anders – mein Sohn hatte mir die Zeichnung mit den Worten gegeben „hier Mama, daraus kannst Du jetzt einen Quilt machen“. Seine anderen Zeichnungen hatte ich einfach so aufgehoben und bei Gelegenheit als Anregung verwendet, diese hier kam mit einer gewissen Verpflichtung, und er hatte auch schon mal nachgefragt, wann ich denn endlich damit anfangen würde.

"Mama, daraus kannst Du jetzt einen Quilt machen!"

Anfangs lief es auch gut, innerhalb von wenigen Tagen war ich ganz gut vorangekommen, mir gefile, was ich genäht hatte, und das Top war so weit, dass ich meinte, es sei fast fertig. Allerdings fehlte noch der letzte Kick, und da mir da erstmal keine gute Idee kam, hatte ich das Top weggelegt, um etwas später erneut drauf zu schauen. Jetzt schien dafür der richtige Moment zu sein.
Am nächsten Morgen machte ich mich voller Elan dran – und hatte nach kurzer Zeit den Eindruck, alles ruiniert zu haben. Was mich, verständlicherweise, heftig frustriert hat. Ich hatte zwar vor dem Zerschneiden durch Aufstecken von Stoffstreifen ausprobiert, wie es aussehen würde, wenn ich noch weitere schmale Linien einfügen würde. Aber als ich sie dann tatsächlich eingenäht hatte, sah es einfach unmöglich aus. Außerdem kam dann sofort die Frage, die mir manchmal wie ein Totschlagargument nach der Fertigstellung eines Tops als erstes in den Kopf schießt „Und wie willst Du das jetzt quilten?“
Zwar gefielen mir einige Abschnitte ganz ausnehmend gut, z.B. diese hier, 


und auch diese finde ich sehr gelungen:



Aber als Ganzes hat es einfach nicht funktioniert.

Völlig frustriert packte ich es zusammen und wollte es dem UFO-Stapel einverleiben. Ich rief meine Freundin an, klagte ihr mein Leid und bekam von ihr auch ein bisschen Trost zugesprochen, nicht zuletzt den weisen Satz, dass nicht jedes Teil auf Anhieb gelingen kann, und dass ich doch nicht allzu oft solche Aussetzer hätte. Womit sie recht hatte – aber trotzdem...
Ein paar Tage später waren wir bei ihr zum Essen eingeladen, und bloss der Vollständigkeit halber nahm ich das ruinierte Top mit, um es ihr zu zeigen. Sie schaute es sich gründlich an – und fand es so richtig gut. Ich war ziemlich platt. Sie stimmte zu, dass auch sie keine Vorstellung davon hätte, wie es gequiltet werden sollte, aber sie ist keine Quilterin, und deshalb kann ich in der Hinsicht von ihr gar keinen Hinweis erwarten. Ihr gefielen die Komposition, die klare und deutliche Farbwahl, und das Miteinander der Linien auf der gesamten Fläche. Alles Dinge, die mein wesentliches Anliegen bei meinen Arbeiten in der Serie „Linienspiele“ sind.  Sie schlug vor, das Stück um 90 Grad zu drehen – ein Entwicklungsschritt, den ich eigentlich selbst gerne mal ausprobiere, auf den ich in diesem Fall aber nicht mehr gekommen war, weil ich das Teil schon zu einem früheren Stadium mal um 90 Grad gedreht hatte...

Nach dem Mittagessen packte ich also mein nicht mehr ganz so ruiniertes Top wieder ein, hängte es zu Hause an die Wand und ging im Verlauf des Nachmittags immer mal wieder daran vorbei, um einen Blick darauf zu werffen. Sie hatte wirklich recht – so schlecht war es, in dieser neuen Ausrichtung wirklich nicht. Nachem ich meinen Sohn zu Bett gebracht hatte, kam mir beim letzten  Blick vor dem Schlafengehen dann auch die zündende Idee, wie das Quiltmuster anzulegen sei. Ich werde also wohl doch zwei Quilts in Ste. Marie-aux-Mines einreichen können.

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