Freitag, 19. Oktober 2012

Begegnungen


Als ich im Februar einmal mit dem Zug unterwegs war, fiel mir eine Frau im Waggon auf, die eine patchworkartig-gestrickte Jacke anhatte. Immer wieder habe ich zu ihr hinübergelinst, über den Gang hinüber. Als sie sich zum Aussteigen bereit machte, nahm ich all meinen Mut zusammen und fragte sie, ob ich mir das Muster mal kurz genauer betrachten dürfte. Ich durfte – und während ich versuchte, mir in kürzester Zeit das Prinzip zu entschlüsseln und einzuprägen, sagte sie mir plötzlich, sie hätte sowieso schon länger überlegt, ob sie mal einen Kurs bei mir machen könne.
Mit dieser Bemerkung hatte ich nicht gerechnet. Zugegeben, ich hatte eine Rolle mit Quilts dabei, die ihr aufgefallen sein konnte, als ich in den Zug eingestiegen bin. Außerdem baumelte der Handquiltrahmen außen an meiner Reisetasche, und Quilterinnen haben ja ein Auge dafür, einander zu erkennen. Aber dies war noch eine andere Qualität des Erkennens, denn sie wusste genau, wer ich bin. Damit rechnet man ja nicht unbedingt. Ich nämlich wusste nicht, wer sie war, konnte mich nicht erinnern, ihr schon einmal begegnet zu sein, und zum Vorstellen und kurzen Plausch blieb eigentlich nicht genügend Zeit. „Berühmt“ ist da sicherlich der falsche Begriff, aber eine winzige Vorstufe – „bekannt in bestimmten Kreisen“ – ist es offensichtlich schon. Zwei mögliche Kurstermine konnte ich ihr immerhin kurz nennen, bevor sie dann schon aussteigen musste.
Das Strickmuster war also im Gespräch ‚untergegangen’, und eine Zeitlang hoffte ich, dass sie sich vielleicht tatsächlich mal für einen Kurs anmelden würde, und vielleicht dann auch wieder ihre Strickjacke anhätte...
Unterdessen habe ich zu Hause versucht, das Prinzip zu rekonstruieren, und bin auch soweit gekommen, dass ich eigentlich wusste, wie die einzelnen ‚Patches’ hergestellt worden waren. Unter ‚Patchworkstricken’ und die großen Suchmaschinen findet man ja schon so einiges. Die Feinheiten auszutüfteln hatte ich mir dann für ‚nach dem Elsass’ aufgehoben.
Dazu sollte es dann aber gar nicht mehr kommen. Als ich im September in Erding mit den Stoffen war, kam sie plötzlich auf mich zu, fragte fröhlich lächelnd „Wollen Sie eigentlich das Strickmuster gerne haben?“
Das bekam ich dann tatsächlich ein paar Tage später zugeschickt, mit ausführlichem Erfahrungsbericht und Hinweis auf Problemlösungen, die vom Schnittmuster abwichen. Inzwischen habe ich zumindest Maschenproben entsprechend der Anleitung gestrickt und herausgefunden, dass die Tüfteleien, die ich mir noch vorgenommen hatte, im Muster selbst gar nicht gelöst worden waren. (Ich wollte nämlich unbedingt von der übriggebliebenen Masche aus gleich weiterstricken, um das Vernähen von Fäden möglichst vollkommen zu umgehen.)


Also mal wieder ein Strickprojekt. Genau das Richtige für die kommenden kälteren Zeiten – mal wieder etwas anderes außer Socken, etwas Schönes stricken.

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