Donnerstag, 20. Februar 2014

Versponnen entspannt.

Mein Spinnrad habe ich seit ca. 35 Jahren. Als Teenager habe ich mal einen Spinnkurs an der Volkshochschule besucht, dort auf in der Volkshochschule vorhandenem Spinnrad gelernt. Sehr schnell entstand natürlich der Wunsch, ein eigenes zu besitzen. Das war damals aber gar nicht so einfach. Als meine in der DDR lebende Tante von meiner Begeisterung erfuhr, wollte sie daraufhin meiner Mutter bei einem ihrer Besuche dort das Familienerbstück mitgeben, das bei ihr geblieben war, als meine Großmutter mit den beiden anderen Töchtern ausgereist war. Weil dieses Spinnrad aber von vor 1949 war, und deshalb nach DDR-Recht als ‚Antiquität’ galt, durfte es nicht ausgeführt werden, und meine Mutter musste es an der Grenze wieder an meine Tante zurückschicken. (Immerhin wurde es ihr nicht abgenommen, und eingekerkert wegen versuchten Antiquitätenschmuggels wurde sie auch nicht...) Daraufhin habe ich mich mit den Gelben Seiten durch sämtliche Schreiner/Drechsler des Landkreises telefoniert und gefragt, ob sie auch Spinnräder herstellen würden. Auf die Art ist ein Schreiner, der wahrscheinlich überhaupt nicht wusste, was plötzlich los ist, zu einem Großauftrag gekommen, denn aus dem Kurs haben gleich mehrere ein Spinnrad bestellt, ich musste einen Teil meines Ersparten hinlegen, und dann konnte es losgehen.

Eigentlich hat dieses Rad noch einen stilvollen
Wolle-Vorratshalter, der in den Knauf links
neben der Spule eingesteckt werden kann, aber der ist noch in
 irgendeiner Kiste auf dem Speicher - in der sicherlich noch
ungehobene Schätze ungespnnener Wolle schlummern! 

Gesponnen habe ich dann eine ganze Weile lang viel. Ich habe heute noch den ersten Pullover aus selbstgesponnener Wolle – weiß, im Aran-Muster. Allerdings hatte ich da ohne groß nachzudenken alles miteinander verstrickt, was ich bis dahin  gesponnen hatte. Mit dem Ergebnis, dass die unterschiedlich dünn versponnenen Fäden, die außerdem noch aus Wolle verschiedener Qualitäten stammten, dem Pullover eine sehr eigenwillige Form mit einer gewissen Bauchigkeit bescherten. Aber ich trage ihn heute noch. Während der Schwangerschaft war er sehr praktisch!



Nachdem mich der Quiltvirus erwischt hat, ist das Spinnen eine ganze Zeit lang in den Hintergrund gedrängt worden, vor allem während der Jahre, als ich wegen einer ständig lauernden Sehnenscheidenentzündung nicht strickte. Wofür spinnen, wenn man es nicht anschließend verstricken kann? Aber vom Spinnrad trennen konnte ich mich nicht, allerdings wanderte es irgendwann doch mal auf den Speicher, um die teilweise bissigen Kommentare meines Mannes über unnütze Staubfänger zu unterbinden.
Letzten Sommer bekam mein Sohn von einer befreundeten Schafhalterin ein bisschen ungesponnene, teil-gewaschene und kardierte Wolle geschenkt, mit der sie ihn zum Spinnen ermuntern wollte. Das Spinnrad wanderte wieder in den Wohnbereich. Die Mühsal des gleichmäßig Tretens, bevor man auch nur wirklich dran denken kann, mit den Händen die Wollfasern in die sich drehende Spule zu führen war für den 8-Jährigen aber noch nicht das Richtige, und der erste Elan ebbte bald wieder ab. Mein Testversuch mit der Wolle war auch nicht vielversprechend, sie war einfach noch zu fetthaltig, auch nicht wirklich langfaserig.
 Das Spinnrad stand. Auch, weil meine nach Kanada ausgewanderte Freundin Maike dort das Spinnen für sich entdeckt hat, immer wieder begeistert davon erzählt, und ich so ganz heimlich dachte, „vielleicht komme ich ja doch demnächst mal wieder dazu.“ Der Handspinngilde bin ich schon vor einer Weile beigetreten, wenn ich bisher im Verein auch nicht als aktives Mitglied aufgetreten bin. 
Vor drei Wochen fragte mich eine der Damen, die zum Stricktreff kommt, ob ich ein Spinnrad hätte, und ob ich es ihr beibringen könnte. Da bekam ich einen leichten Bammel – kann ich es denn überhaupt noch? Also habe ich mich am selben Abend hingesetzt und probiert, ob das noch geht. Geübt habe ich mit einem großen Sack ungesponnener Wolle, die im Keller unseres Hauses stand, als wir eingezogen sind, und die ich schon damals vor dem räumenden Zugriff meines Mannes gerettet hatte. Eine ganz wunderbar weiche und ziemlich langfaserige Wolle, die das Spinnen zum Genuss macht! Und ich war selbst erstaunt, wie schnell ich wieder flüssig treten, gleichmäßig einlaufen lassen und einen ziemlich dünnen und gleichmäßigen Faden hinkriegen konnte.
Letzten Dienstag waren wir dann um acht Uhr früh beim Steuerberater – immer ein Horrortermin im Jahr, weil wir immer spät dran sind, immer Angst haben, dass nicht alle Unterlagen vorliegen... Ich finde Steuerberater schlimmer als Zahnarzt, und das Wochenende vorher verbringe ich unter extremer Anspannung. Diesmal waren wir aber ziemlich gut – nur drei Sachen, die noch nachgereicht werden mussten und sogar innerhalb von einer knappen halben Stunde Suchens gefunden werden konnten. Und als das passiert war, brauchte ich Entspannung. Ich habe den ganzen Rest des Tages gesponnen gesponnen gesponnen. Die erste Spule war sowieso fast voll, als ich an dem Tag anfing, und die zweite habe ich dann auch vollgemacht. Und gleich noch gezwirnt, und den Rest von der volleren Spule gegengeddreht, um gleich alles nochmal so richtig auszuprobieren. Abends ging es mir dann wieder einigermaßen gut.

Das Ergebnis eines langen Tages

Das gezwirnte Garn ist mit etwas zuviel Zug gedreht worden, so dass es noch einen kleinen Drall hat. Also ist es, wenn man es sehr kritisch betrachtet, noch nicht so ganz gut zum Stricken geeignet. Aber es wäre jetzt auch nicht völlig unmöglich, auf der linken Seite sieht es schon ganz gut aus.



Für das ungezwirnte Restchen fehlt noch der Stricktest.



Und dann fiel mir auch wieder der Name der Firma ein, wo ich früher die ungesponnene Wolle besorgt habe. Und die Firma gibt es noch, inzwischen mit Internetauftritt... 

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