Freitag, 3. Juli 2015

Was soll das Ganze?

Vergangenen Dienstag war ich mit drei Syrern von morgens halb 6 Uhr an unterwegs. Alle drei waren – zusammen mit ca. 80 anderen Asylbewerbern, die an verschiedensten Orten in Bayern untergebracht sind – auf 8 Uhr für ihre Anhörung einbestellt. Wir waren ca. 20 Minuten vor 8 am Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die drei bekamen die Nummern 17, 18 und 19, und dann begann das Warten. Die Nummern sagen nämlich gar nichts darüber aus, in welcher Reihenfolge die Leute aufgerufen werden. Schon bald wurden die Nummern 56 und 35 aufgerufen, die zu einer Gruppe von 22 Senegalesen gehörten, die aus der Nähe von Kempten mit einem Bus und einigen Helfern angereist waren, und ab da ging dann alles durcheinander.
In einer Ecke des Warteraumes plärrte ein Fernseher in fast unerträglicher Lautstärke, der lief bis kurz vor elf durch, immer wieder dieselben Nachrichten über Griechenland, das Familiendrama im Münchner Osten und die Tatsache, dass es ein heißer Tag werden sollte. Und dass der Fachkräftemangel in Deutschland schon deutlich zu spüren ist – in Bayern gibt es so viele freie Stellen wie schon lange nicht mehr.
Schon nach einer Stunde konnte man auf den Metallsitzen eigentlich nicht mehr sitzen. Allerdings war der Raum nordwärts ausgerichtet, es war also von den Temperaturen her erträglich.
Nummer 19 wurde von unserer Gruppe als Erster aufgerufen – um 10 Minuten nach 10. Nummer 18 folgte um 20 Minuten vor 11, Nummer 17  um 10 Minuten nach 11. Der Erste kam nach ca. eineinhalb Stunden wieder runter, der letze um 20 Minuten nach eins. Das Interview selbst hat bei allen jeweils ca. 10 bis 15 Minuten gedauert, davor mussten sie im oberen Stockwerk nochmal warten, danach dann zur Abnahme des Fingerabdrucks und Foto ebenfalls. Und zwischendurch wurde einfach eine Stunde Mittagspause eingelegt, in der beim Fingerabdruck gar nichts vorwärts ging.

Gegen Mittag wurde es schon wieder etwas leerer,
und der Fernseher war wieder aus.

So richtig gemütlich - die Teppichauslegware im Wartebereich.

Man kann sich ungefähr ausrechnen, welche Kosten so ein einzelner Tag verursacht – ca. 85 Asylbewerber (mindestens) reisen von allen möglichen Orten in Südbayern an, die Kosten für die Fahrten werden von den Landratsämtern übernommen, irgendwas zwischen fünf bis fünfzehn Sachbearbeiter führen die Interviews durch, zuzüglich der notwendigen Dolmetscher für verschiedene Sprachen, der Sicherheitsdienst, das Personal für Fingerabdrücke und Fotoaufnahme, und sicher gibt es noch weitere Kostenverursacher. Da fragt man sich schon, ob es nicht doch sinnvoller wäre, dieses Dublin-Verfahren abzuschaffen, die Menschen hier ihren Asylantrag stellen zu lassen und durchzuführen – selbst wenn dabei herauskommt, dass es kein politisch begründeter Antrag ist – und dieses Geld stattdessen in verpflichtende und qualifizierte Deutsch- und Integrationskurse zu stecken. Dann hätten die Menschen in ihrer Wartezeit auf die Durchführung ihres Verfahrens wenigstens eine sinnvolle Beschäftigung und kämen vielleicht, selbst wenn sie kein Bleibe- oder Aufenthaltsrecht bekommen sollten, mit einer gewissen Qualifikation in ihre Ursprungsländer zurück.
Aber die Abläufe für ein Dublinverfahren und die Vorschriften, denen die Asylbewerber unterworfen sind, sind so verschwurbelt, dass man nur den Kopf schütteln kann – wie kann man sich nur so etwas ausdenken? Mit Rationalität, Pragmatismus und vor allem einem Mindestmaß an Menschlichkeit und mitmenschlichem Denken hat das nichts zu tun. Vermutlich – ziemlich sicher - werden alle drei Männer, die ich begleitet habe, die Nachricht bekommen, dass sie wegen der Einreise über ein Drittland keine Berechtigung haben, in Deutschland ihren Asylantrag zu stellen. Zwei sind über Griechenland eingereist, der dritte ist wohl zum ersten Mal in Bulgarien registriert worden. Sollen die zwei nach Griechenland geschickt werden, wo im Moment gerade sicher nicht organisierte und effiziente Asylverfahren  durchgeführt werden? Alle drei kommen aus Gegenden in Syrien, wo im Moment der Krieg tobt. Muss da noch nach einem Dublin-3-Verfahren vorgegangen werden? Und prompt beschließt der Bundestag mit den Stimmen der Koalition eine Verschärfung des Asylrechts, die eine weitere Kriminalisierung dieser notleidenden Menschen darstellt. Was soll das Ganze eigentlich?

Man muss sich wirklich schämen, Bürger/in eines Staates zu sein, der sich solche schrägen Dinge ausdenkt und streng bürokratisch durchzieht.

2 Kommentare:

  1. Liebe Uta, mit Bestürzung habe ich Deinen Artikel gelesen - es ist nicht nachvollziehbar, warum solche Bürokratie herrscht. Es ist bewundernswert, wie Du Dich einbringst, um diesen armen Menschen beizustehen. Asylbewerber sind doch nahezu alle zuerst in Südeuropa an Land gegangen, diese Länder sind doch dann erst recht überfordert - das Dilemma ist erschreckend.
    Viele Grüße aus Dresden
    Erika

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    1. Und jetzt warten wir erstmal ab, wie Griechenland heute entscheidet - vielleicht entstehen dadurch ja für die Asylbewerber neue Chancen, denn ins totale Chaos wird man sie nicht 'rückführen' dürfen...

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