Samstag, 1. Juli 2017

Harte Zahlen

Da wir keinen Fernseher haben und ich auch nie einen echten Überblick darüber, was man sich via Computer anschauen könnte, habe ich in der vergangenen Woche natürlich nicht die Diskussionssendung über Abschiebungen angesehen, aber am nächsten Tag darüber im Internet gelesen. An dem Tag war ich sowieso schon heftig in Fahrt, weil ich einen Leserbrief als Reaktion auf einen unglaublich blöden Artikel über Aussagen unseres Landrates geschrieben hatte. (Unglücklicherweise ist dieser Landrat ja im weitesten Sinne auch mein Arbeitgeber, weil die Schule, an der meine Klasse angesiedelt wird, letztendlich vom Landkreis finanziert wird ... aber meine Meinungsfreiheit lasse ich mir deshalb nicht nehmen.) Vielleicht war das der Grund, weshalb mich diese Zahlen, die in der Berichterstattung über Maischberger auftauchten so besonders erschüttert haben:



Etwa 222.000 ausreisepflichtige Menschen, deren Asylanträge abgelehnt wurden, leben aktuell in Deutschland. 158.000 von ihnen werden nur geduldet, sie könnten theoretisch jederzeit abgeschoben werden. Faktisch passiert dies oft erst nach Jahren – oder Jahrzehnten.


Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen - zweihundertzweiundzwanzigtausend. Auf 80 Millionen. Das heißt, wenn man alle Einwohner Deutschlands nebeneinanderstellen würde, hätte jeder 363. einen 'ausreisepflichtigen' neben sich stehen. Gut, jeder 100. hätte einen anerkannten Flüchtlich neben sich stehen. Aber auch diese Relation - lohnt es sich wirklich, sich dermaßen darüber aufzuregen? Was können uns diese paar Hansel denn wirklich schaden oder wegnehmen, oder wie uns stören? In diesem reichen Land soll es nicht möglich sein, statt Milliarden für ABschiebezentren auszugeben, diese paar Leute mit finanzieller Unterstützung zu integrieren?
Über die Demonstration in München ist bis heute nicht berichtet worden. Geht das, in einem Land, das sich etwas auf seine Maßstäbe der Pressefreiheit einbildet, und in einer Stadt, in der eine Zeitung angesiedelt ist, die für sich reklamiert, eine der bedeutendsten Zeitungen Deutschlands zu sein, frei, unabhängig...?  Ich frage mich, wie lange ich dies alles noch aushalte, ohne durchzudrehen...

Vor einigen Tagen habe ich einen neuen Quilt angefangen, der letztendlich auch mit Zahlen zu tun haben wird. Er wird in der Serie "text messages" verankert sein. Ausgelöst durch die Zahlen, die genannt werden, wenn darüber berichtet wird, wieviele Menschen dieses Jahr schon im Mittelmeer ertrunken sind - von denen man es weiß.
Im Moment ist es eher noch meditativ-sinnierendes Nähen, oft in den frühen Morgenstunden, weil ich wieder sehr früh aufwache.  Aber er geht voran.


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