Sonntag, 13. März 2011

Leinenradweg und Weberstraße im Bayerischen Wald

Während der Faschingsferien verbrachte ich eine Woche mit meiner Familie im Bayerischen Wald. Da die Schneeverhältnisse nicht mehr ganz ausreichend zum Langlaufen waren, haben wir uns den verschiedenen kulturellen Sehenswürdigkeiten der Gegend gewidmet.
Durch Prospekte entdeckten wir, dass es in der Wegscheider Gegend einen Leinenradweg gibt. Natürlich ist es jetzt auch keine Zeit zum Radfahren, aber die Idee sollte man auf jeden Fall im Hinterkopf behalten.
Allerdings standen wir in Breitenberg vor den verschlossenen Türen des Webereimuseums , das nur im Sommer geöffnet hat, oder für vorangemeldete Gruppen. 
Da ich die Geduld meiner zwei Mitreisenden nicht zu sehr strapazieren wollte, indem ich sie als hochinteressierte Gruppenmitglieder ausgab, verschob ich den Besuch des Museums auf einen Zeitpunkt in der hoffentlich nicht allzu fernen Zukunft und nutzte zwei Tage später eine andere Gelegenheit, um in Wegscheid die Handweberei Moser  zu besuchen und zu besichtigen.

Beim Eintritt in die angenehm wohnlich gestalteten Verkaufsräume wird man fast überwältigt von der Leichtigkeit und angenehmen Atmosphäre, die die an den Fenstern aufgehängten Mustervorhänge in verschiedenen Farbschattierungen und Webmustern ausstrahlen. Zahlreiche farbige Flickenteppiche liegen auf dem Boden, Kissenhüllen aus Wolle und Leinen und Tischwäsche und Handtücher in großer Zahl und vielfältigen Mustern lagern in den Regalen. 

Wollteppiche und Flickenteppiche, hier im Regal

Wollene Kissenhüllen

Verschiedenfarbige Handtücher
  
Man findet handgewebte Woll-Läufer, die aus den Resten einer Wolldeckenproduktion hergestellt werden. In manchen Ecken lagern die Materialien für Flickenteppiche


oder das dicke Wollgarn, das nur darauf wartet, verwebt zu werden.



Eine Farbmusterkarte für die dicke Wolle sieht so aus:



Im hinteren Raum hängen Kleidungsstücke, die aus handgewebten Stoffen gefertigt wurden.


Und wunderbar anzusehende und anzufassende Leinenstoffe kann man natürlich auch sehen.

Handgewebte Leinenstoffe - mehr als eine Augenweide!


Ich habe eine Leinendecke für unseren Esszimmertisch gekauft, den wir vor ein paar Jahren ebenfalls im Bayerischen Wald gekauft hatten. Und dann wurde ich gefragt, ob ich einen Blick in die Werkstatt werfen wollte. Ich wollte!

Die Werkstatt ist mit 14 Webstühlen verschiedener Breite ausgestattet. Der breiteste fasst Teppiche bis zu 3 m Breite und ist vermutlich so um die 160 Jahre alt. Ein wahrhaft mächtiger Methusalem!

Ca. 160 Jahre alt und 3 m Webbreite: der Methusalem unter den Webstühlen
in der Handweberei Moser, Wegscheid
An der Wand hängen die zum Bespannen der Webstühle verwendeten Kämme, als wären sie eine Wanddekoration und nicht ein Teil des benötigten Werkzeugs.



Auf diesem Webstuhl wurde ‚meine’ Tischdecke gewebt.



Hier sieht man eine der fünf Angestellten der Werkstatt bei der Arbeit. Den Streifen zwischen dem breithaltenden Holz und der oberen Kante (erkennbar an dem Punkt, wo sich die Kettfäden wieder teilen!) hat sie innerhalb der kurzen Zeit gewebt, die ich mit Schauen und Fragen beschäftigt war. ‚Meine’ Decke von der Größe 130 x 170 cm wurde in ca. 2 bis 2 ½ Stunden gewebt, wurde mir erzählt.



Die Chefin des Betriebs nahm sich freundlich Zeit, um meine zahlreichen Fragen zu beantworten. Ich hatte selbst mal einen kleinen Webstuhl, den ich letztendlich aus Platz- und Organisationsgründen abgegeben habe (Quilten und Weben kann ich wohl nicht gleichzeitig bzw nebeneinander), und so waren meine Fragen nicht die einer völlig Ahnungslosen.

Die Chefin betonte mehrfach, dass sie alle die Arbeit als eine sehr befriedigende Arbeit erlebten, und dass sie eigentlich genug Aufträge hätten, um gut über die Runden zu kommen. Allerdings beklagte sie deutlich die zunehmenden Schwierigkeiten, die einem kleinen Betrieb wie dieser Handweberei bei der Beschaffung des notwendigen Materials begegneten. Hierzu gehören einerseits der Unwille großer Lieferanten, solche kleinen Betriebe auch regelmäßig und zuverlässig mit den von ihnen kleineren Mengen zu beliefern, andererseits natürlich auch die ständig steigenden Rohstoffpreise, die auch gerade solchen kleinen Betrieben zu schaffen machen, weil sie ja gerade kaum mit Mengenrabatten bei der Beschaffung rechnen können. Oder, als weitere Schwierigkeit, der völlige Wegfall eines Lieferanten, der seine gesamte Produktion von Deutschland nach China verlagert, und nun nicht mehr die Abfälle liefern wird, aus denen hier im Bayerischen Wald bisher sehr begehrte Flickenteppiche gewebt wurden.

Solche Auskünfte machen einen natürliche sehr nachdenklich. Wenn man sich nicht bereits vorher ziemlich kritische Gedanken über die sogenannten Vorteile der Globalisierung gemacht hat, macht man es nach einem Besuch in solch einer Werkstatt auf jeden Fall.

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