Mittwoch, 31. August 2011

Ai Wei Wei im Kunsthaus Bregenz

Als ich auf der Rückfahr von meinem Kurs- und Übersetzungsaufenthalt in der Schweiz durch Bregenz kam, wollte ich eigentlich im Kunsthaus vorbeischauen, musste aber feststellen, dass es noch eine Woche vor der Eröffnung von Ai Wei Weis Ausstellung „art / architecture“ war.



Damals reifte der Entschluss, auf jeden Fall Freundesbesuche während der Sommerferien meines Sohnes so zu legen, dass es mir noch möglich sein würde, diese Ausstellung zu sehen. Hinzu kam dann noch die Lektüre des vor kurzem veröffentlichten Buches mit der Auswahl von Blogeinträgen von Ai Wei Wei, über die ich hier schon berichtet habe.
Vor einigen Tagen war es dann soweit – mein Schwager hat mit meinem Sohn Minigolf gespielt und Eis gegessen, während ich mir die Ausstellung angesehen habe.



Das Kunsthaus hat trotz der nominellen Freilassung Ais den auf dem Dach des Hauses installierten Schriftzug beibehalten, was ich vollkommen richtig finde. Schließlich ist er alles andere als ‚frei’, und so ein Statement kann nicht oft genug wiederholt werden.
Die Ausstellung erstreckt sich über drei der vier Etagen des Hauses und konzentriert sich auf die architektonischen Kooperationsarbeiten Ais.
Hierzu gehören zahlreiche Modelle des Nationalstadiums in Peking, bei dessen Entwurf er als ‚kultureller Berater’ für das Architektenteam Herzog & de Meuron mitgewirkt hat, und Entwürfe verschiedener Gebäude in den USA, die tatsächlich gebaut worden sind.

Modelle des Nationalstadions in Peking

Besonders beeindruckend allerdings ist das Holzmodell des leider (noch nicht?) verwirklichten Projektes „Ordos 100“

Holzmodell "Ordos 100"

Ai Wei Wei war hier der mastermind hinter dem Projekt, bei dem er 100 Architektenbüros aus aller Welt einbezogen hat. Für ein Neubau-Gebiet in der Inneren Mongolei sollten Häuser mit einer festgelegten Nutzfläche entworfen werden. Ein Ziel der Aktion für Ai Wei Wei war es, eine Diskussion über moderne Architektur in China anzuregen. Seiner Meinung nach fehlt diese im derzeit in China herrschenden Bauboom völlig, was dazu führt, dass bei der Schnelligkeit, mit der Gebäude in China hochgezogen (und viele alte Bereiche in Städten dafür rigoros abgerissen) werden, die kulturelle und architektonische Identität dieser uralten Kulturnation völlig verlorengeht. Die hundert Entwürfe werden im Detail in Plakaten vorgestellt, die ringsum an den Wänden des zweiten Stockwerkes angebracht sind. Ai Wei Wei selbst hat, soweit ich das feststellen konnte, keinen Entwurf beigesteuert, allerdings dafür gesorgt, dass für die Ausstellung in Bregenz dieses Holzmodell des gesamten Areals aus einer Holzsorte, in bewährter chinesischer Intarsienarbeit angefertigt wurde. Zum Zeitpunkt seiner Verhaftung war das Modell noch nicht aus China exportiert worden, und die Organisatoren der Ausstellung haben offenslichtlich einige bange Wochen verlebt, ob es ihnen noch gelingen würde. Unter der Produktbezeichnung „Chinese Design“ hat es dann aber doch geklappt.

Jedes einzelne dieser Häuser verdiente wohl, im einzelnen und genau vorgestellt zu werden. Da ich aber keine Architektin möchte ich hier nur zwei zeigen, die mir besonders aufgefallen sind: ein ‚versenktes’, und eines, das die topographischen Vorgaben der Landschaft erhöht widerspiegelt.

In den Erdboden versenkt -
Lichteinfall durch Aussparung im inneren Bereich

Plan für das versenkte Haus

Topographische Elemente als Dach übernommen

Detail vom Plan

Laut Auskunft einer der Aufsichtspersonen hat die Insolvenz des vorgesehenen Investors bisher verhindert, dass dieses Projekt tatsächlich realisiert wird, angeblich soll es sich dabei nicht um politische Gründe handeln.

Im obersten Stockwerk kann man dann, in zwei Reihen angeordnet, eine Version der Installation „Moon Chests“ sehen. In Anlehnung an traditionelle chinesische Möbelformen, und ausgefährt in traditioneller chinesischer Holzkunst, zusammengefügt ohne jegliche Metallteile, stehen 8 Kästen hintereinander. Durch die bei jedem Kasten an einer anderen Stelle ausgesparten kreisrunden Gucklöcher kann man bei jeder der Reihen von einem zum anderen Ende ‚durchsehen’. Die Aussparungen wirken dann, je nach Blickwinkel, ein weing wie unterschiedliche Mondphasen. Mir hätte die Wirkung auch schon ohne diese hintergründige Intention gefallen.


Moon Chest
Außerdem sieht man schon im ersten Stockwerk noch Fotoserien, die auf Bildschirmen projiziert werden, und zwei Videos. Einerseits das Video „Beijung 2nd ring“, und andererseits ein Video vom Abriss des Studios, das Ai Wei Wei auf Einladung und Aufforderung der Stadt Shanghai in Shanghai gebaut hatte, und das kurz nach der Fertigstellung wieder abgerissen wurde, weil seine offenen Meinungsäußerungen und politischen Aktionen so viel Unmut auf offizieller Seite verursacht hatte.
Dieses Video hat mich fast ein wenig verstört. Einerseits dieser absurde Prozess – offizielle Einladung, ein Studio zu bauen, dann der offizielle Abriss des kaum fertiggestellten Gebäudes – und andererseits aber die Tatsache, dass davon Videoaufnahmen angefertigt werden durften (oder jedenfalls eine Aufnahme nicht verhindert wurde), auf denen Ai Wei Wei zeitweise selbst als bei den Abrissarbeiten zugegen zu sehen ist. Und natürlich die Stärke, die er selbst aufbringen musste, in solcher einer Situation auf die Idee zu kommen, aus diesem Akt der Willkür in Umkehr wieder ein Stück Kunst zu produzieren. Wer schafft das schon?

Montag, 29. August 2011

Beim Lesen von Ai Wei Wei


Kurz vor der Abreise in den Urlaub hatte ich in einer Buchhandlung das neu herausgekommene Buch „Macht Euch keine Illusionen über mich. Ai Wei Wei – der verbotene Blog“ gesehen und mitgenommen. 

Es war dann ein Teil meiner Urlaubslektüre. (Und Vorbereitung auf meinen Besuch seiner Ausstellung im Kunsthaus Bregenz. )
Ich muss sagen, dass ich anfangs von dem Buch ziemlich enttäuscht war. Erstens hatte ich den Eindruck, ein gutes Beispiel dafür in den Händen zu halten, dass Blog-Einträge letztendlich nicht wirklich zur Veröffentlichung als Buch taugen, jedenfalls nicht, wenn sie nicht vom Autor selbst und wesentlich gründlicher als in diesem Fall geschehen, für die Veröffentlichung überarbeitet werden.
Und zweitens hatte ich beim Lesen das Gefühl, dass es sich hierbei um eine editorische Masche handelte, die möglichst noch verlegerischen Profit daraus schlagen wollte, während der andauernden Haftzeit Ais eine deutsche Übersetzung der englischen Übersetzung auf den Markt zu schmeißen. (Seine Entlassung aus der Haft unter Auflagen wird allerdings in der Zeittafel im hinteren Teil des Buches erwähnt.)
Diese Kritikpunkte gelten jedenfalls für ungefähr die erste Hälfte des Buches (immerhin schlappe 478 Seiten dick).
Ich schätze Ais Kunst sehr, ich halte sie für interessant und spannend, originell und wichtig, aber dieses Buch ist kein Zeugnis dafür, dass er auch ein großer Literat ist. Vielleicht liegt das an der Fragmentierung, denn natürlich konnte nur eine Auswahl seiner über 2000 Blog-Einträge in die Veröffentlichung aufgenommen werden. Oder es liegt an der mangelnden Überarbeitung durch den Autor, oder an dieser „Übersetzung einer Übersetzung“, was der Qualität eines Textes in der Regel nicht besonders zuträglich ist. Und seinen Blog hat er natürlich auch nicht mit der Absicht geschrieben, große Literatur zu produzieren, und vermutlich auch nicht im Hinblick auf eine Veröffentlichung in Buchform.
Allerdings habe ich meine anfangs skeptisch Meinung im Lauf des Lesens dann doch noch etwas revidiert. Ais Texte werden nach dem Jahr 2006 deutlich kritischer und wesentlich engagierter. Zwar handelt es sich m.E. nicht, wie auf dem Klappentext behauptet, um „die geistige Positionsbestimmung eines Künstlers“, sondern mehr um die eines Widerstandskämpfers. Aber das sind natürlich mindestens ebenso wichtige Positionen, und da Ai Wei Wei sein Künstlertum immer in Verbindung mit seiner politischen Position sieht, ist es vielleicht kleinlich, sich an diesem Aspekt aufzuhalten.
Ai schreibt wieder und wieder über die Situation der Menschenrechte in China, er prangert konsequent die weitverbreitete Korruption auf verschiedensten politischen Ebenen an, macht sich Gedanken über Zusammenhänge zwischen ethischem Empfinden, Geschichtsbewusstsein und Achtung vor der Individualität der einzelnen Bürger seines Landes, und über die Lage im von China besetzten (in offiziellem chinesischen Duktus „befreiten“) Tibet. Er ergreift Partei für Unterdrückte und ihrer Grundrechte beraubte BürgerInnen seines Landes, verlangt immer wieder eine genaue Untersuchung der Umstände, die zu den verheerenden Opferzahlen unter Schülern beim Erdbeben von Sichuan im Mai 2008 geführt haben (diese Aktionen haben ihn schließlich zu seiner Installation am Haus der Kunst in München veranlasst), 


er verschont auch nicht die Berichterstattung ausländischer Medien, und je näher die Olympischen Spiele in Peking kommen, desto kritischer wird er den Machenschaften der Herrschenden der Kommunistischen Partei Chinas und der Profitgier des IOC gegenüber.

In seiner Gesamtheit ist das Buch ein hartnäckiger, aufrührender, letztendlich immer verzweifelter werdender Bericht eines aufrechten Mahners und Widerstehenden.
Ich finde es unerträglich, dass jemand, der kritische Meinungen zum Politik-Geschehen seines Landes äußert, mundtot gemacht werden soll, indem erst sein Blog gelöscht wurde, dann der Autor von Sicherheitsbeamten auf dem Weg zu einer Zeugenaussage zusammengeschlagen und schwer verletzt wurde, und später unter fadenscheinigen Gründen verhaftet und schließlich nur unter fadenscheinigen Maulkorb-Auflagen wieder freigelassen wurde. Insofern ist es sicherlich wichtig, dass dafür gesorgt wird, dass Ais Aussagen öffentlich zugänglich und dadurch überprüfbar gemacht werden, selbst wenn ein Buch nicht die Idealform für die Veröffentlichung eines Blogs darstellt.
Noch unerträglicher allerdings finde ich, dass die westliche Welt, wie in diesem Spiegel-Artikel, der ein Bericht über Ausstellungseröffnungen während Ais Haftzeit ist, erwähnt,  offensichtlich nur noch in Kulturfragen wenigstens so tut als ob sie gegen die menschenrechtswidrigen Vorgehensweisen der chinesischen Machthaber Einspruch erhöben. Es ist enttäuschend, dass die deutsche Regierung es nicht geschafft hat, die große Ausstellung über das Thema „Aufklärung“ (ausgerechnet!) in China wenigstens zu unterbrechen, um ein Zeichen zu setzen, und dass Frau Merkel nun lediglich darum bittet, Ai Wei Wei möge ein gerechtes Verfahren erhalten. Damit macht sie sich zur Komplizin der chinesischen Unterdrücker.
Warum eigentlich unterliegen nach der Verleihung des Friedensnobelpreises an den inhaftierten Lu Xiaobo nur norwegische Waren ein Importverbot nach China, warum ist es nicht möglich, dass auch mal chinesische Waren mit einem Importstopp in die westlichen Länder belegt werden? Vermutlich bleibt nur das Fazit, dass das Zeitalter der Menschenrechte mittlerweile endgültig vorbei ist. Es zählt nur noch das Wirtschaftsergebnis. Über Grundrechte wie Rede- und Meinungsfreiheut und das Recht wird (bestenfalls) nur noch gesprochen, und nicht mal das noch besonders überzeugend.

Wollen wir trotzdem hoffen, dass die im Spiegel-Artikel geäußerte Ansicht, Chinas Machthabende hätten sich verschätzt und Ai Wei Wei sei inhaftiert gefährlicher als in Freiheit, sich insofern bewahrheitet, dass er möglichst bald wieder vollkommen „ungefährlich“ ist. Und dass es ihm selbst nicht so ergeht, wie er im Blog-Eintrag „Lasst uns Vergessen“ vom 3. Juni 2009 ironisch anmahnt „Lasst uns jede Verfolgung, jede Demütigung, jedes Massaker, jede Vertuschung, jede Lüge, jedes Versagen und jeden Toten vergessen, alles, was in der Erinnerung schmerzen könnte, und lasst uns immer auch gleich vergessen, dass wir etwas vergessen.“

Hier gibt es einen Bericht über Ais New Yorker Fotoausstellung, hier über die Ausstellung in 
Berlin.
Außerdem ein Bericht über sein erstes Interview nach seiner Entlassung.

Freitag, 26. August 2011

Ada und Emil Nolde Stiftung Seebüll

Während unseres gerade beendeten Urlaubs an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste habe ich von meiner Familie einen Tag ‚frei’ bekommen und bin alleine zur Ada und Emil Nolde Stiftung in Seebüll gefahren.
Vor dreißig Jahren war ich, damals auf einer Fahrradtour mit zwei Freunden und meinem älteren Bruder, zum ersten Mal dort. Seitdem ist und bleibt Emil Nolde einer meiner absoluten Favoriten, und ich freue mich über jedes Bild, das ich in irgendeinem Museum entdecke. Deshalb war ich auch furchtbar enttäuscht gewesen, als ich Anfang Mai vor den wegen des Mai-Feiertages verschlossenen Türen der Pinakothek der Moderne stand, in der damals gerade die letzten Tage einer Ausstellung von Noldes Aquarellen liefen. Eine weitere Chance, diese Ausstellung zu sehen, bot sich für mich nicht, und so reifte der Entschluss, wenn ich schon dem Nolde-Museum im Urlaub so nahe sein würde, mir diesen Ausflug an die dänische Grenze auf jeden Fall zu gönnen.
Schon die Fahrt nach Norden war ein wahrer Genuss, denn die Wolkenformationen, die man hier im Norden aufgrund der Lichteinstrahlung zu sehen bekommt, gleichen überhaupt nicht dem, was ich aus den südlicheren Gefilden der Republik gewöhnt bin. (Im CD-Spieler zur Einstimmung das Hörbuch "Die Deutschstunde", gelesen von Siegfried Lenz selbst.) Der Blick schweift über die weit ausgedehnte flache Landschaft, und die vielen Windräder, die mittlerweile dort stehen, stören mich persönlich gar nicht. (Lieber tausend Windräder als einen Atomreaktor in nächster Nähe...)


Der Zufall wollte es, dass ich mir gerade den 144. Geburtstag als Besuchsdatum ausgesucht hatte, bei Bezahlen des Eintritts bekam ich eine CD mit einem Hörspiel als Geschenk überreicht.
Dann blieb genügend Zeit für einen ausgiebigen Spaziergang durch den Garten. Er liegt zu Füßen des von Nolde selbst entworfenen Hauses, das auf einem Hügel liegt und die Landschaft überblickt.
Blick vom Garten hinauf zum Haus
Das Gartenhäuschen




Und die wunderbare Ausstellung, in der es natürlich nicht erlaubt war, zu fotografieren. Leider war es da wegen des Geburtstages und einigen Sonderveranstaltungen ziemlich gedrängt, insofern war der Tag vielleicht nicht ganz so günstig. Aber das Wetter war einfach besonders geeignet, um andauernd Wolkenformationen zu sehen, die einen verstehen lassen, warum Nolde gemalt hat, wie er es getan hat. Man möchte am liebsten selbst den Pinsel in die Hand nehmen...


Blick aus dem Fenster der neu
eingerichteten Malschule Seebüll

Dienstag, 23. August 2011

Restfarbenverwertung

Beim T-Shirt-Färben im Kindergarten blieben natürlich ein paar Farbreste übrig. Und angerührte Farbe lasse ich nicht verkommen, schließlich kostet das Farbpulver dafür einfach zu viel.


Für das Stoff-Abo färbe ich ja nach Rezept aus den verschiedenen Mustertafeln, die ich mir erstellt habe. Aber das sieht dann mitunter auch anders aus, als ich mir das nach dem Muster eigentlich gedacht hätte. Die Arbeit mit den Mustertafeln hatte ich mir zwar ursprünglich gemacht, weil ich damit eine gewisse Reproduzierbarkeit der Farben erreichen wollte. Allerdings bewahrheitet sich da dann eben doch in der Praxis, was man in der Theorie ja eigentlich weiß – nämlich dass jede Färbung anders ausfallen kann.
Zum Beispiel hier eine Gegenüberstellung meiner Musterfarben, die ich mir für die Juli-Kollektion ausgesucht hatte, und das Ergebnis der Färbung, die dann tatsächlich in die Kollektion eingegangen ist.




Ich vermute, dass hier der sichtbare Unterschied einerseits darauf beruht, dass ich für die Mustertafel mit geringen Stoffmengen gearbeitet habe, die die Farbpartikel einfach anders aufgenommen haben, und andererseits der für die Juli-Kollektion verwendete Stoff nicht in der Stoffauswahl enthalten war, die ich bei der Mustertafel verwendet habe. Aber das macht in diesem Falle überhaupt nichts, denn die Kombinierbarkeit der Stoffe beruht ja darauf, dass die Farben aus denselben Grundfarben gemischt wurden. Und hängt nicht davon ab, ob die Ergebnisse hundertprozentig den Farbtönen entsprechen, die meine Musterstückchen haben. Mit dem Ergebnis für die Juli-Kollektion, die aus drei verschiedenen Verdünnungsstufen zweier Farbmischungen bestand, war ich jedenfalls sehr zufrieden.

Juli-Kollektion
Mit den Restfarben vom T-Shirt-Färben konnte ich dann aber mal wieder so richtig loslegen, der Experimentierlust freien Lauf lassen, ohne über genaue Abmessungen nachzudenken. Schließlich waren die Farben fertig gemischt, nur noch in unterschiedlichen Mengen vorhanden, und mussten einfach aufgebraucht werden.

Einerseits habe ich ein Experiment versucht und, in Anlehnung an die Mischung, die ich beim Übersetzen von Jan Myers-Newburys Kurs in der Schweiz kennengelernt hatte, eine „drei Primärfarben-Mischung“ angefertigt. (Natürlich enthalten meine Mustertafeln auch immer zahlreiche Mischungen von allen drei beteiligten Grundfarben... aber hier ist es sozusagen eine Freistil-Variante.) Und davon dann noch gleich mehrere Verdünnungsstufen. Schließlich hat man nie genug von den wirklich hellen Farbtönen:



"Drei Primärfarben-Mischung"
Diese Stoffe können auch demnächst über den Link “Meterware” auf der Homepage von justcolours.de bestellt werden.

Was danach noch übrigblieb, wurde jeweils in zweier-Kombinationen gepaart. Und zustätzlich noch eine wunderschöne Gelb-Mischung.

Im Farbbad...

... und fertig.
Diese Mischungen sind nun wirklich unwiederholbar, denn ich hatte mir keine Notizen darüber gemacht, welche Farben ich für den Kindergarten gemischt habe! Jedenfalls sind es schöne, kräftige Mischfarben geworden. Vielleicht hätte ich noch Verdünnungsstufen anfertigen sollen, aber dafür hatte ich nicht mehr genug Stoffvorräte. Die reichen gerade noch für die September-Kollektion.
In Zukunft werde ich aber auf jeden Fall darauf achten, dass immer genug Vorräte da sind, dass  bei Experimentier-Attacken auch mehrere Verdünnungsstufen angefertigt werden können.


Montag, 22. August 2011

"Beyond Comfort" in Birmingham




Ich hatte im Juni schon einmal darüber berichtet, dass zwei meiner Quilts ausgewählt wurden, Tei  der SAQA-Ausstellung „Beyond Comfort“ zu sein.

Hier nochmal Bilder von den Quilts.

Illuminated (2010)

Gelbes Band (2010)
Illuminated braucht wegen der Befestigung der Lichtschnur an einem Netz eine besondere Hängevorrichtung, die im Quilt integriert ist. Das schafft Probleme bei der Aufhängung (und natürlich beim Verschicken.) Und eine Stromquelle braucht er natürlich auch – und, da die Ausstellungsorte vermutlich größtenteils nicht im deutschen Raum sein werden, außerdem auch noch einen internationalen Steckeradapter. Wegen dieser ganzen Angelegenheiten haben  Eileen Doughty von SAQA und ich einen intensiven E-Mail-Verkehr gepflegt. (Erfreulich, dass die Jury beim Auswahlprozess offensichtlich überhaupt nicht auf die Idee gekommen ist, dass es diese Schwierigkeiten geben könnte, denn sonst hätten sie diesen Quilt vermutlich niemals ausgewählt!) Den Adapter habe ich natürlich mitgeliefert.

Die Ausstellung wurde vergangene Woche nun zum ersten Mal in Birmingham beim Festival of Quilts gezeigt. Eileen Doughty hat den Teilnehmerinnen den folgenden Link zur Verfügung gestellt, um sich ein Bild von der Sache zu machen.

Da wir noch im Urlaub waren, konnte ich leider nicht hinfahren. Ich habe selbst also nur diese Fotos, und auch das Belegexemplar des Katalogs habe ich noch nicht erhalten.

Leider hat mich Eileen darüber informiert, dass der Adapter offensichtlich gegen Samstagabend angefangen hat zu rauchen, und die Lichtschnur deshalb abgeschaltet werden musste. Vielleicht ist er nicht auf Dauerbetrieb ausgelegt? Oder die Spannungsverhältnisse waren doch anders? Jedenfalls bin ich froh, dass es bemerkt wurde, bevor die ganze Angelegenheit in Flammen aufging. Und ich werde auf jeden Fall einen Ersatzadapter besorgen. Aber vielleicht zeigt das auch die Grenzen dieser Art der Quiltgestaltung auf. Schade, denn ich hatte durchaus noch einige Ideen für die Verwendung von Lichtschnüren in Quilts.

Sonntag, 21. August 2011

T-Shirt-Färben im Kindergarten

Letzten Herbst hatte ich die Idee, dass ich mit den Kindern der Kindergartengruppe meines Sohnes noch ein weiteres Projekt durchführen wollte. (Vor drei Jahren hatte ich mit ihnen schon eine Kuscheldecke für die Gruppe gemacht.) Die Erzieherin war begeistert, aber wir beschlossen, bis zum Frühjahr zu warten, damit es draußen stattfinden könnte.
Probe-T-Shirts wurden bestellt, um deren Färbe- und Einlaufverhalten zu ermitteln, und ich habe zu Hause verschiedene Abbinde-Richtungen ausprobiert, um den Kindern Auswahlmöglichkeiten für die Gestaltung anbieten zu können.

Probehemden
Mustermodelle im Kindergarten auf dem Zaun
Von Bärbel Lehrke bekam ich den Tipp, für die Kinder doch zur Erleichterung das Abbinden mit Gummibändern zu probieren. Darauf wäre ich nie selbst gekommen, aber da Bärbel ja schon einige Erfahrung mit T-Shirt-Parties hat, habe ich ihr da voll und ganz vertraut, und es war natürlich ein sehr guter Tipp. Vielen Dank, Bärbel!

Abbinden mit Gummibändern
In die T-Shirts wurden Tyvek-Schildchen eingenäht, auf die die Kinder dann ihren Namen schrieben, um Verwechslungen auszuschließen.

Tyvek-Schildchen zur Beschriftung
Gemischt hatte ich die drei Grundfarben, Rot Gelb Blau, und damit sind mein Sohn und ich dann losgezogen – da wir zur Zeit von einer Kanalbaustelle umgeben sind, mit Sack und Pack im Bollerwagen.


Auf geht's zum Färben!
Für die Kinder war es natürlich auch sehr wichtig, die Einmalhandschuhe anzuziehen. Und dann wurde gefärbt. Am ersten Tag konnten wir es draußen veranstalten. Beim zweiten und dritten Tag war das Wetter nicht so günstig, und so gingen wir in den Werkraum, was das Prozedere aber nicht wesentlich verändert hat.



Toll war es,  zu sehen, wie unterschiedlich die Kinder an die Sache rangegangen sind. Manche wussten sofort, welches Abbindemuster und welche Farbkombination sie wollten und gingen voller Elan und ohne große Überlegung ans Werk. Andere haben ganz sorgfältig abgewogen, die Mischfarbe bedacht, sich erst mit der Spritz-Technik (die Farben waren in Spülmittelflaschen abgefüllt) vertraut gemacht.

Nach einer gewissen Einwirkzeit  der Farbe (ungefähr zwei färbende Kinder später)  wurde Soda draufgegossen:


Zu Hause habe ich dann ausgewaschen und die Gummis entfernt – geht nicht gut mit Handschuhen, weshalb ich mehrere Tage trotz Super-Farbmittel-Entferner-Seife farbige Hände hatte! Und als alle fertig waren, gab es eine gesammelte Übergabe. Davon haben wir leider kein Bild gemacht – aber es war wunderbar zu sehen, wie stolz die Kinder auf ihre eigenen Werke waren. Mindestens die Hälfte haben dann ihre Hemden sofort angezogen und den Rest des Tages über getragen.

Montag, 1. August 2011

Ré Soupault, Künstlerin im Zentrum der Avantgarde

Vor einigen Wochen hatte mein Mann ein Faltblatt mit dem Jahres-Programm „Ostdeutschen Galerie“ in Regensburg mitgebracht. Da ich mal wieder Lust auf einen kleinen Museumsausflug hatte, sind zwei Freundinnen und ich zusammen für einen Tag nach Regensburg gefahren, um die dort stattfindende Ausstellung „Ré Soupault – Künstlerin im Zentrum der Avantgarde“ zu sehen. Zugegebenermaßen: ich hatte nie vorher etwas von Ré Soupault gehört, aber die Beschreibung im Faltblatt klang äußerst spannend.

Eingangshalle zur Ausstellung in der Ostdeutschen Galerie

Ré Soupault wurde ursprünglich als Erna Niemeyer geboren, und muss eine Frau mit einem sehr eigenen Kopf gewesen sein. Geboren im Jahr 1901 – genauso alt wie meine Großmutter! – war sie ab 1921 eine Studentin am Bauhaus, wo sie ganz besonders von Itten beeinflusst wurde, dessen ‘Vorkurs’ sie freiwillig sogar gleich zweimal belegte.

"Blinde Bilder" nach der Art von Ittens Vorkurs

 Allerdings wurde sie schon bald technische Assistentin von Viking Eggeling, den sie bei der Erstellung seiner his “Diagonalen Symphonie” unterstützte, dem ersten abstrakten Film. Danach kehrte sie nicht mehr an das Bauhaus zurück, weil sie den beim Umzug Dessau vollzogenen Schwenk hin zu Funktionalismus und Industrialisierung nicht mittragen wollte. Sie arbeitete als Modezeichnerin und Modekorrespondentin für Berliner Zeitschriften, ging für diese nach Paris, wo sie schließlich ihre eigene Modekollektion entwarf, mit der sie die Pariser Szene mächtig aufmischte. In ihrer “Ré Sport” entwickelte sie konsequent Kleidung für die moderne arbeitende Frau, unter anderem entwickelte sie ein sogenanntes “Transformationskleid”, das durch Beifügung verschiedenster Accessoires als ein Kleid für die  verschiedensten Gelegenheiten einsetzbar war.

Transformationskleid von Ré Soupault

Nach dem Unfalltod ihres Geldgebers musste sie allerdings ihren Modesalon schließen. Sie lernte den französischen Surrealisten Phillipe Soupault, den sie auf seinen Reportagereisen durch Europa begleitete. Auf diesen Reisen begann sie zu fotogrphieren und steuerte bald die Fotos zu seinen Reportagen bei, unter anderem reisten sie durch Spanien und Skandinavien. Im Auftrag der französischen Regierung zogen sie Ende der 30er nach Tunesien, und auch hier setzte Ré Soupault ihre fotografischen Arbeiten fort. Unter anderem gelang es ihr, Aufnahmen im ‚Geschlossenen Viertel’ von Tunis zu machen, wo muslimische Frauen ohne Familie lebten.

Katalogseite mit Fotos aus den "quartiers reservés"

Während des Krieges wurde ihr Mann verhaftet, zeitweise interniert, und anschließend mussten sie Tunis unter Zurücklassen ihrer ganzen Habe in Richtung Algier verlassen. Damals verlor Ré Soupault ihre gesamte Fotoausrüstung. Ein Teil ihrer Besitztümer tauchte ein paar Jahre später wieder auf einem Basar auf, wo eine Freundin sie entdeckte.
Von Algerien aus gelang es ihnen schließlich, in die Vereinigten Staaten zu gelangen, wo sie begann, als Übersetzerin zu arbeiten. Auf einer Reise mit ihrem Mann durch Südamerika ‚schoss’ Ré Soupault das eindrucksvolle Selbstporträt, das ihrer fotografischen Leistung würdig ist: bei einer Schießbude in Buenos Aires traf sie ins Schwarze und löste so das Bild aus, das sie als Preis bekam.

Selbstportrait Ré Soupault

Nach dem Krieg trennte sich das Ehepaar, Philippe Soupault kehrte bald nach Europa zurück, während Ré noch einige Jahre versuchte, in New York endgültig Fuß zu fassen, bevor auch sie wieder nach Europa zurückkehrte. Hier arbeitete sie weiter als Übersetzerin, erst in Basel, anschließend wieder in Paris, und begann, immer wieder Radio-Reportagen über eine Vielzahl von Themen zu verfassen. Sie übersetzte u.a. Romain Rolland und Lautréamont ins Deutsche, letzterer hatte bis dahin als praktisch unübersetzbar gegolten. Ihr Mann, mit dem sie wieder zusammengefunden hatte, autorisierte sie als die einzige legitime Übersetzerin, als ein deutscher Verlag in den 80er Jahren seine Werke herausbringen wollte. Dadurch entstand dann auch der Kontakt, über den Rés eigene Werke wieder bekannt werden sollten, nachdem sie dem Verleger ihres Mannes (Wunderhorn Verlag) ihre Fotos aus den dreissiger und vierziger Jahren gezeigt hatte.

Dieser stark gekürzte Überblick über ihr langes und bewegtes Leben ist zum großen Teil dem hervorragend gemachten Katalog zur Ausstellung entnommen.



Ré Soupault 1996, im Alter von 95 Jahren, nachdem sie noch erlebt hatte, dass ihr eigenes Werk Anerkennung und Beachtung fand.

Die Ausstellung in Regensburg zeigt eine Vielzahl von Dokumenten, die Ré in ihrer Position inmitten der künstlerischen Avantgarde präsentiert, und einen guten Überblick über ihre vielfältigen Karriereschritte bietet.

Sie hat sie alle gekannt -
Ré Soupault inmitten der künstlerischen Avantgarde

Anrührend eine Vitrine, in der ca. 30 ihrer kleinformatigen Kalendernotizbücher nebeneinander liegen:


Was ich an ihr so unglaublich faszinierend finde, ist, dass sie ganz offensichtlich einen ganz besonders starken Willen hatte, und sich von keinerlei Widrigkeiten des Lebens entmutigen ließ. Wenn irgendetwas nicht mehr funktionierte, ließ sie es hinter sich und fing etwas Neues an – und war immer wieder auffallend gut in dem jeweiligen neuen Gebiet. Filmschaffende, Modezeichnerin, Modereporterin, Modedesignerin, Fotografin, Reporterin, Übersetzerin, Radio-Reporterin – was für eine beeindruckende Liste an ausgeübten Berufen! Und offensichtlich hatte sie das Talent, sich nicht von irgendwelchen Erinnerungen niederdrücken zu lassen. Wenn etwas vorbei war, hat sie keine weiteren Gedanken daran verschwendet, mit ein Grund, warum ihre Fotografien so lange unbekannt geblieben sind, denn nachdem sie diese zurückbekommen hatte, hat sie die Schachtel kaum geöffnet, erst nach über vierzig Jahren wieder mit jemandem darüber gesprochen.
Eine weitere interessante Fotografin, deren Werk aus einer Schachtel geborgen werden muss. Allerdings ist über Ré Soupault doch einiges mehr bekannt als über Vivian Maier. Ihre Fotos sind jedenfalls ähnlich spannend und aufwühlend.

Die Ausstellung dauert noch bis zum 4. September. Sehr empfehlenswert!