Text des Beitrages:
In jeder Ausschreibung von SAQA, der Organisation, die sich
der Profilierung insbesondere des Art-Quilts verschrieben hat, wird deren
‚Definition’ eines solchen zitiert (hier in Übersetzung): „ein zeitgenössisches
Kunstwerk, das die ästhetischen Belange, die der gesamten Bandbreite der bildenden
Künste (Malerei, Fotografie, Druck, grafisches Design, Zusammenstellungen,
Skulptur) zugrundeliegen, auslotet und ausdrückt und dabei durch Material oder
Technik einen eindeutigen Bezug zur ihm zugrundeliegenden Volkskunst Quilt
herstellt oder bewahrt“. Im Katalog der letzten European Art Quilts
Ausstellung, die noch tourt, und auch in der neuerlichen Ausschreibung für die
nächste Runde ist dagegen keine einheitliche Definition von ‚Art-Quilt’ zu
finden.
Kunst ist umstritten. Vielen Kunstwerken wird immer wieder –
vorzugsweise von selbsternannten Kunst’kritikern’ – ihr Status als Kunstwerk
abgesprochen. Und Kunst muss nicht ‚schön’ sein – oder würde jemand „Guernica“
von Picasso als ‚schön’ bezeichnen?
Die Quiltkunst, die aufgrund ihrer geschichtlichen
Entwicklung aus dem funktionalen Bereich heraus (wärmen, Reste sinnvoll u.
evtl. auch ästhetisch ansprechend verwenden) vielleicht einen besonders
schweren Stand in der Kunstwelt hat, bleibt von diesen Diskussionen nicht
verschont. Rein technisch ist Quiltkunst bewältigbar – grundlegende
Nähtechniken, ein paar Tricks, eine gewisse Sorgfalt, gepaart mit ein wenig
Geduld und Fleiß. Fertig ist der Quilt. Und dennoch gibt es einige Quilts, die
besonders sind, eine außergewöhnliche Ausstrahlung haben, sich aus der großen
Masse herausheben.
Das können die herausragenden Exemplare aus Amish-Produktion
sein (nicht jeder Amish-Quilt hat tatsächlich diese Qualität), oder einige der
mittlerweile berühmt gewordenen und in Museen gezeigten Quilts von den Frauen
von Gee’s Bend (und nicht jeder von den Gee’s Bend Quilts lässt einem den Atem
stocken). Das können Quilts aus Siebdruck-Stoffen sein, oder aus handgefärbten
Stoffen, und auch aus kommerziell hergestellten Stoffen. Allerdings ist
auffällig, dass viele Quilts, die als ‚Art Quilt’ bezeichnet werden, unter
Verwendung einer Vielzahl von modernen Techniken hergestellt wurden/werden.
In den Überlegungen zu Art-Quilts höre ich untergründig eine
Art Richtungsstreit mitschwingen, salopp vielleicht formuliert als „welches
sind die besseren/echteren/zeitgemäßeren Quilts – traditionelle oder
Art-Quilts?“ Diesen Richtungsstreit halte ich persönlich für überflüssig (oder
sogar schädlich). Es gibt wunderbare traditionelle Quilts, und es gibt
grässliche traditionelle Quilts, genauso wie es wunderbare und hässliche
Art-Quilts gibt. (Und wo bleiben die einfach nur ‚modern’ genannten Quilts? In
den amerikanischen Foren läuft z.Zt. eine Diskussion darüber, was denn ‚modern
quilting’ ausmacht.) Das hängt aber ja auch ganz stark von den Betrachtenden ab
– beeinflusst durch deren Sachverstand für Kunst, Sachverstand für Quilts (was
sich nicht unbedingt decken muss), vielleicht beide in Kombination, oder einfach
nur den persönlichen Geschmack ohne dahinterstehendem Sachverstand. Meines Erachtens nach definiert sich Kunst
nicht dadurch, dass möglichst viele moderne Techniken oder möglichst viele und
unterschiedliche Materialien zum Einsatz kommen, bloss weil die durch
einfallsreiche (und geschäftsorientierte) Geister zur Verfügung gestellt
werden. Für mich ist DAS definierende Kriterium eines Quilts, und das trifft
auf traditionelle wie auf moderne oder Art-Quilts zu, die Verbindung von
mindestens zwei (eigentlich drei) Lagen durch in einem weiteren Arbeitsgang
hinzugefügte Stiche. Und, wenn es sich nicht um einen Wholecloth-Quilt handelt,
das Piecing. Für mich persönlich gehört ‚geklebt’ schon nicht mehr dazu... Dies
in erster Linie, weil dadurch der haptische Effekt dieses besonderen Mediums
verloren geht – den wir in Ausstellungen daran erkennen, das ständig an den
Quilts herumgegrabscht wird. (Was bei Gemälden ja wohl kein wirkliches Problem
darstellt.) Aber viele Quilterinnen sehen das mit dem Kleben anders, sind
einfach dankbar für die Arbeitserleichterung.
Die Unterscheidung zwischen ‚Quilt’ und ‚Art-Quilt’ braucht
meines Erachtens nicht definiert zu werden. Ob ein Quilt Kunst ist, entscheidet
sich daran, dass er ‚das gewisse Extra’ hat, nicht daran, wie er bezeichnet
wird. Weder die Amish-Frauen noch die Frauen von Gee’s Bend haben ihre Quilts
als Kunst(werke) betrachtet, und dennoch einige der allerschönsten Exemplare
geschaffen. Sowohl die Grenzen zwischen Kunst und Kitsch als auch die zwischen
Kunst und Handwerk sind fließend, nicht genau zu bestimmen, und liegen für Produzierende
und Rezipierende möglicherweise sehr weit auseinander.
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