Mittwoch, 13. Juni 2012

Textilien im Museum Kunst der Westküste: "The Föhr Reef"


Ende Mai/Anfang Juni verbrachte ich einige Tage mit meiner Familie auf der nordfriesischen Insel Föhr


Beim Durchstöbern der verschiedenen Programm-Vorschauen entdeckte ich diverse Aktivitäten zu „The Föhr Reef“. Erst dachte ich, dabei handele es sich auch um eine Art Guerilla Knitting, oder eine besondere Anspielung auf die Selbst-Werbung der Insel, die sich gerne "die friesische Karibik" nennt. Aber genauere Recherchen belehrten mich eines anderen. Die erste Erklärung fand ich in einem Artikel für Kinder in einer der Inselzeitschriften:


Das gehäkelte Föhrer Korallenriff ist Teil eines internationalen Kunstprojektes, ausgehend vom Institute for Figuring, das das hyperbolische Häkeln zur Herstellung bewusstseinsbildender Kunstwerke nutzen will. (Dazu gibt  es auch einen Blog, allerdings war dieser, als ich ihn jetzt ‚entdeckte’, seit mehr als einem Jahr nicht mehr mit neuen Posts versehen worden.)
Die Idee mit dem „hyperbolischen Häkeln“ hatte ich als ca. 12-jährige auch mal gehabt, allerdings ohne zu wissen, dass es sich dabei um so etwas wie die angeblich unmögliche Darstellung eines bis dahin den Mathematikern nicht mal ganz klargewordenen Raummodells handelte. Ich habe damals, als ich noch davon träumte, Mode-Designerin zu werden, einfach wilde Röcke für meine Barbie-Puppen gehäkelt, und die dann später, als ich aus der Barbie-Zeit raus war, auch ganz prosaisch einfach nur weggeworfen. Wenn ich das nur gewusst hätte, vielleicht wäre ich dann heute bekannter...
In die internationale Kunstszene Eingang fand das hyperbolische Häkeln, nachdem die Mathematikerin Daina Taimina angefangen hatte, zur Verdeutlichung der räumlichen Verhältnisse des hyperbolischen Raumes gehäkelte Modelle herzustellen. Sie hat darüber ein Buch veröffentlicht. Daraus entwickelten Christine und Margaret Wertheim, die als Wissenschaftsjournalistinnen um die anschauliche und verständliche Darstellung wissenschaftlicher Inhalte auch für eine nicht-wissenschaftliche Öffentlichkeit bemüht sind, das Projekt. Mit dem hyperbolischen Häkeln wollten sie vor allem die Vermittelbarkeit der Inhalte erhöhen. Das Thema "Korallenriff" wählten sie, weil zu dem Zeitpunkt gerade zahlreich über die Auswirkungen der Klimaerwärmung für die Korallenriffe der Welt und die Umweltverschmutzung auch in den Ozeanen berichtet wurde. Innerhalb weniger Wochen, nachdem sie das Projekt auf ihrer Homepage veröffentlicht hatten, erhielten sie einen Anruf vom Andy Warhol Museum in Pittsburgh, ob sie zu einer geplanten Ausstellung über künstlerische Reaktionen auf das Global Warming einen Beitrag leisten könnten. Und das war nur der Anfang. 
Es gibt ein kleines offizielles Buch des Institute for Figuring über das hyperbolische Häkeln. Margaret Wertheim hofft aber, in nächster Zeit einen Verleger für ein umfangreicheres Buch zu finden, das die verschiedenen Komponenten, die hinter der Konzeption des Hyperbolic Crochet Coral Reefs stehen, zusammenbringen soll.
Allerdings hat das Museum der Westküste auch eine pdf-Anleitung auf der Homepage veröffentlicht, die man sich herunterladen kann: eine Häkelanleitung für Korallen
Leider war ich zu spät dran, um noch mitzuhäkeln - obwohl noch eine Häkelsitzung im Veranstaltungskalender angekündigt war, die fand aber wegen des abgelaufenen offiziellen Einreichungsschlusses nicht mehr statt- und wir fuhren auch wieder zu früh ab, um die Vernissage mitzubekommen.
Also blieb mir nur, in der mir vergönnten Zeit auf der Insel auf Spurensuche zu gehen.
Ein Ausflug zum Museum Kunst der Westküste war höchst interessant. 

Museum Kunst der Westküste, Alkersum auf Föhr
Erstens haben mir sowohl die Anlage des Museums als auch die Sonder-Ausstellung mit Fotos von Trine Søndergaard sehr gut gefallen. Sie ist eine der bedeutendsten zeitgenössischen Fotografen Dänemarks und führt einem mit den Porträts von in traditionelle Gesichtsmasken gehüllten Faröerinnen die Diskussion um Verschleierung und Kopftuchdebatte ganz deutlich vor Augen.

Ausstellungsplakat für Trine Sondergaard
an der Außenmauer des
Museum Kunst der Westküste

Und zweitens war es spannend, auf der Fährte des Föhr-Reefs zu wandeln.
Im gesamten Museumsbereich waren immer wieder einzelne gehäkelte Korallensegmente verteilt: außen, im Museums-Shop, im Restaurant...




Dort fand sich auch eine Postkarte des internationalen Projektes, und eine offizielle Postkarte des Föhr-Reef:

Postkarte des internationalen "Crochet a Coral Reef"-Projektes
Postkarte des "Föhr Reef"

Und dann durfte man (noch) einen Blick von oben auf den Bereich werfen, in dem die Ausstellung dann ein paar Tage später eröffnet werden sollte. Selbst wenn dies nur der Ausblick auf einen Ausschnitt der ganzen Ausstellung war – ein beeindruckender Ausschnitt war es allemal.
Ich war begeistert von der Vielfalt der gehäkelten Korallenvariationen! Ein Museumsführer, der eine eher gelangweilte und keinesfalls verständnisvolle Gruppe älterer Besucher durch die gesamte Ausstellung führte, sprach von „partizipatorsche Kunst“. Kommentar eines Mitglieds dieser Gruppe: „Also dass die Föhrer dafür Geld haben!“ (Ich habe mich sehr zurückhalten müssen...)
Am Nachmittag vor unserer Abreise war, wie ich noch durch Zufall erfahren habe, im Museum der Pressetermin angesetzt. Da ich ja manchmal als freie Mitarbeiterin unserer Lokalredaktion arbeite, bin ich dann nochmal hin.
Und dann durfte ich ein paar offizielle Fotos machen - die den tatsächlichen Eindruck, den man beim Betrachten dieses Kunstwerkes erhält, allerdings bei weitem nicht widergeben:

Kombination verschiedener Techniken...
Hyperbolische Perlenarbeit
hyperbolisch verhäkelter Plastikmüll
Tote bzw. ausgebleichte Korallen
aus Juteschnur gehäkelt: Riesenkoralle
Für alle Nordlichter, und für alle, die vor dem 16. September irgendwie in die Nähe kommen: ich glaube, das ist allemal einen Ausflug nach Föhr wert, anschließend geht die Ausstellung zusammen mit mehreren ebenfalls ausgestellten amerikanisch/australischen Häkel-Korallenriff-Segmenten auf Reisen.


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