Sonntag, 10. März 2013

Alles Plastik.


Im vergangenen Juni las ich in der Süddeutschen Zeitung einen Artikel über eine Familie, die seit knapp drei Jahren versucht, ihren Alltag ohne Plastik zu leben. Beeindruckend – und seitdem wird mir, obwohl ich mich auch schon vorher durchaus für umweltbewusst und umweltaktiv hielt, noch viel deutlicher bewusst, wie sehr Plastik unseren Alltag beherrscht. Wie schnell kommt bei der Zubereitung von Essen eine solche Anzahl von Plastikresten zusammen. In Deutschland schmeißen wir sie in den gelben Sack und halten uns für großartige Recycler, ohne genau darüber nachzudenken, was mit diesem Plastikmüll wirklich passiert:

13 Teile Plastikverpackung
Ungefähr zwei Wochen nach dem Artikel über die plastikfreie Familie war in derselben Zeitung ein Foto von einem am Meeresstrand an der Nordwestküste Kanadas verendet aufgefundenen Seevogel zu sehen, der vermutlich an der kaum vorstellbaren Menge Plastikmüll in seinem Magen elendig zugrunde gegangen ist. Solch ein Bild lässt mich nicht so einfach wieder los.


In der Ausstellung „The Föhr Reef“ gab es auch eine aus Hawaii beigesteuerte Vitrine, in der die Korallen aus Plastikteilen oder am Strand gefundenen Plastikresten gefertigt worden waren, und der dargestellte ‚Strand’ war ebenfalls aus am richtigen Strand angeschwemmten Plastikteilchen zusammengetragen.
Während ich in Föhr am Strand entlanggegangen bin, habe ich einiges an Plastikmüll und auch eine angeschwemmte Isolierdecke eingesammelt und in den Mülleimer gebracht. Seitdem ich Kathy Loomis beim Sammeln und Zusammenstellen von kleinen Päckchen Plastikmüll an der Küste der Outer Banks in den USA begleitet habe, ist das eine fast automatische Handlung, wenn ich an einem Strand entlanggehe.
Im Museum Tuch + Textil  in Neumünster hatte ich im Sommer 2012 eine der Maschinen gesehen, die dazu verwendet wird, aus PET-Flaschen Fäden zum Weben von „Textilien“ zu gewinnen. Schon damals war ich mir nicht sicher, ob ich davon positiv beeindruckt sein sollte. Und nicht erst seitdem ich in India Flints Buch„Second Skin“ gelesen habe, dass zahlreiche Produzenten inzwischen wegen der Popularität dieser Art von „Textilien“ dazu übergegangen sind, nicht mehr recycelte PET-Flaschen zu verwenden, sondern neue Flaschen direkt bei den Herstellern zu beziehen, frage ich mich, wohin das noch alles führen soll.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass es mal Zeiten gab, als alle (naja – fast alle) Leute ganz selbstverständlich „Jute statt Plastik“-Taschen trugen oder ihre Brotbeutelchen beim Bäcker über den Tresen reichten. Heute werde ich in jedem Geschäft merkwürdig angesehen, wenn ich beim Bezahlen an der Kasse auf die Plastiktüte verzichten möchte, manchmal muss ich es fünfmal, und mit steigender Lautstärke wiederholen. Manchmal packe ich dann wieder aus der Plastiktüte aus, wenn sie einfach nicht hören wollten. Manchmal resigniere ich und sammle die so erhaltenen Tüten zu Hause in meiner Kiste, die mich dann bei nächster Gelegenheit zum Stoffstand begleitet. Hin und wieder werde ich da sogar eine Tüte wieder los, aber die Kundinnen da sind wenigstens meistens bereits mit anderen (oft selbstgemachten) Taschen ausgestattet, in die die bei mir gekauften Stücke Stoff noch lässig mit hineinpassen.
Beim Fischhändler am Markt darf ich seit einiger Zeit nicht mehr mit meinen wiederverwendbaren Dosen von zu Hause kommen, weil es angeblich ein neues Hygienegesetz gibt, dass „nichts mehr von außen über den Tresen in den Verkaufswagen“ hineingereicht werden darf. Das Geld allerdings schon, und es gibt doch einige Studien darüber, was für ein schmutziges Zeug Münzen sind. Da sind meine frisch gespülten wiederverwendbaren Dosen aus hygienischer Sicht sicherlich harmloser, auch wenn die ebenfalls aus Plastik sind. Bei der Olivenfrau hingegen darf ich immer noch meine Dosen mitbringen – und ich habe nicht nachgefragt, ob diese Verordnung sie und ihre Waren nicht betrifft.
Getränke gibt es fast nur noch in Plastikflaschen zu kaufen. Zwar trinke ich meistens Leitungswasser, und ich versuche, mein Gewissen zu beruhigen, indem ich, wenn ich tatsächlich mal eine Getränkeflasche kaufe, diese mehrfach mit Leitungswasser auffülle und wiederverwende, bevor ich sie als Pfandflasche wieder abgebe. Aber das ist dennoch Selbstbetrug. Und angeblich auch unhygienisch, weil sich die Bakterien so ja ungehemmt vermehren können.
Wenn man sich das alles anschaut, frage ich mich, wohin es führen soll. Ich werde jedenfalls ab nächster Woche erstmal wieder zweimal pro Woche Kröten und Amphibien über die Straße tragen. Hilft vielleicht nicht gegen die Plastikberge, aber gegen zermatschte Kröten auf der Straße schon.

2 Kommentare:

  1. Dein Beitrag hat mich nachdenklich gemacht. Es ist ja wirklich so unendlich schwer diesen Plastikmüll zu vermeiden. Die Einkaufstüten kann man ja wirklich noch vermeiden, doch der Verpackungsmüll bleibt. Fragwürdige Hygienevorschriften, die das Mitbringen eigener Dosen verbieten sind angesichts der neuesten Lebensmittelskandale der reinste Hohn.
    Sogar heute beim Stoffmarkt: ich wollte keine Tüte, den gekauften Stoff sollte ich dann ganz schnell in meine Tasche packen, weil die Händler wohl die Vorschrift haben den Stoff nur verpackt zu übergeben - da kann ich nur mit dem Kopf schütteln.
    Viele liebe Grüße
    Anke

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  2. Du hast völlig recht, Anke - es ist ja kaum möglich, selbst im Bioladen ohne Plastikmüll rauszukommen. Angeblich, weil 'der Verbraucher' sehen will, was er kauft...? Es braucht auch hier den Aufstand von unten. Und es erfordert sehr viel Durchhaltevermögen, um nicht ganz schnell verzweifelt aufzugeben unter dem Motto "es bringt ja doch nichts, wenn ich das alleine mache"...

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