Donnerstag, 11. Februar 2016

Lehrgeld zahlen

Im Auftrag für andere auf der Longarm zu quilten ist eine Dienstleistung. Man bekommt eine Aufgabe, die gegen eine Gebühr zu erledigen ist, und danach wird das bearbeitete Stück wieder zurückgeschickt. 
Einerseits. Andererseits weiß man, dass das vorliegende Stück von jemand anderem mit viel Zeitaufwand und vermutlich auch einer bestimmten Menge an Herzblut gearbeitet worden ist, und da ist das Quilten nicht nur irgendeine Dienstleistung, die man routinemäßig runterspult.
Wenn dann noch eine gewisse Bekanntheitsbeziehung zur Auftraggeberin dazukommt, wird es nochmal interessanter. Und bei einem Quilt, der einem von einer wirklich betagten alten Dame anvertraut wird, die davon erzählt, dass es sich um ein bereits seit vielen Jahren liegendes UFO handelt, das sich der Enkel nun an die Wand hängen will, kann man schon gar nicht mehr mit einer ein bisschen distanzierten Dienstleistungshaltung drangehen.
Besagtes Stück habe ich letzte Woche erhalten, und dass es eine besondere Herausforderung werden sollte, war mir von Anfang an klar. Beispielsweise würde, weil das gute Stück schon mal gesteckt gewesen war, und die Rückseite bereits sehr genau auf die Größe des Vorderteils angepasst war, wenig Platz bleiben, um die Fadenspannung einzustellen. Es ging dann aber gleich mit einer weiteren Überraschung los, die im telefonischen Vorgespräch nicht zur Sprache gekommen war. In der Zeit, als dieses Top genäht wurde, wurde in bestimmten Bereichen viel auf Rasterquick gearbeitet, so auch bei diesem Quilt.
Auch ich habe damals in Kursen zwei Quilts auf Rasterquick genäht, und obwohl mir die Genauigkeit, mit der gearbeitet werden konnte, schon zugesagt hat, war für mich ganz eindeutig klar, dass das nicht meine Art des Arbeitens sein würde. Erstens die ständige Wenderei und Anpasserei, und vor allem zweitens die Steifheit, die durch die zusätzliche Vlieslage entstand und Handquilten alles andere als angenehm machen würde (damals war ich noch völlig überzeugte Handquilterin) haben mich vom Rasterquick eindeutig Abstand nehmen lassen. Soweit, dass ich überhaupt nicht im Entferntesten damit gerechnet hatte, so etwas nochmal auf die Maschine zu bekommen!
Nun wäre das vermutlich überhaupt kein Problem gewesen, wenn ich ausreichend Platz gehabt hätte, um die Fadenspannung sorgfältig zu überprüfen und gründlich einzustellen.
Erst habe ich zwei Tage gezögert, ob ich den Auftrag nicht doch noch zurückgeben sollte, aber da es sich um eine Dame handelt, die in der Patchworkgruppe meiner Mutter eine wichtige Rolle gespielt hat, und eben die oben beschriebenen Hintergrundbedingung dazukamen, habe ich das dann nicht übers Herz gebracht.
Vor zwei Tagen habe ich mich dann dran gemacht. Das Aufspannen ging gut, und dann habe ich das Risiko bewusst auf mich genommen – ich musste die Fadenspannung auf dem Quilttop direkt ausprobieren, ohne einschätzen zu können, wie sehr die Oberfläche dadurch leiden würde, falls ich etwas auftrennen muss. Zwar handelte es sich um einen etwas grober gewebten Stoff, der so aussah, als ob er das würde vertragen können, aber ich hatte keinerlei Erfahrung damit, wie das darunterliegende Rastervlies auf diese Behandlung reagieren würde.
Erste vorsichtige Versuche schienen erstaunlich schnellen Erfolg bei der Einstellung der Fadenspannung zu zeigen, und so habe ich mich dann getraut, und die gewünschten Spiralmuster angefangen. Nach knapp 10 Minuten – wenn es überhaupt so lang gedauert hat – habe ich aber an einer ungenau aussehenden Stelle Verdacht geschöpft, 


Verdachtsmoment im gelben unteren Feld...
unter das Top geschaut, und da fanden sich dann mehrere Stellen dieser Art:



Ca. zwei intensive Stunden später waren die Spiralen wieder aufgetrennt (und der Rücken tat weh) und ich habe beherzt die Spannungsschraube nochmal deutlich fester zugedreht. Die Oberfläche schien keinen Schaden gelitten zu haben, jedenfalls war nichts zu sehen, und auch das Rasterquick ist nicht irgendwo rausgequollen.
Wenigstens hatte ich bei dieser Aktion gemerkt, dass die Spiralen überhaupt nicht zu dem farbintensiven grafischen Muster passten, 


und konnte dann noch in einem weiteren Telefongespräch ein anderes Quiltmuster vorschlagen und vereinbaren.
Das habe ich dann heute ausgeführt, und es ist sehr schön geworden. 


Zwischendurch tauchte dann noch eine Stelle auf, wo sich plötzlich mehrere Streifen verschoben, als die Longarm drüberfuhr, da war wohl beim Bügeln das Polyestergarn verschmurgelt. 



Allerdings konnte ich die drei offenen Stellen beim Quilten schließen, so dass es nicht auffällt und kein Auflösungseffekt eintreten sollte.

Aber das war teures Lehrgeld: der Platz zum Fadenspannungprüfen muss wirklich da sein! Und lieber vier- oder fünfmal nachschauen, ob es zu Verschlingungen kommt, auf kleinerer Fläche, als nochmal mehrere Stunden auftrennen. Wäre es nicht um dieses Rasterquick gegangen, hätte ich mir ja eine ähnliche Situation geschaffen und die Spannung überprüfen können, aber weder hatte ich in meinen Vorräten Rasterquick noch einen auch nur annhähernd ähnlichen Stoff, so dass diese Möglichkeit völlig ausschied. Nun ist Ende gut, alles gut, und die Maschine wieder frei, und wartet auf weitere Aufgaben.

2 Kommentare:

  1. Liebe Uta,
    auch wenn ich nicht Longarm quilte, kommt mir diese Geschichte sehr bekannt vor. Wenn man Pech hat, sieht der Auftraggeber hinterher nur das Ergebnis und kann sich die Seelenqualen, die man vorher damit hatte, gar nicht vorstellen. Hoffentlich weiß die Dame das Ergebnis zu schätzen?

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  2. Heide - doch, die Dame weiß das Ergebnis auf jeden Fall zu schätzen. Bei Auftragsarbeiten ist es ja aber auch so, dass man gar nicht will, dass dem Ergebnis die qualvolle Suche oder evtl. durchgeführte Auftrennarbeiten anzusehen ist. Z.B. könnte bei einem Popeline-Stoff keineswegs so eine Auftrennaktion stattfinden, weil die Löcher überhaupt nicht wieder zu zu kriegen sind! Da hatte ich in diesem Fall sogar noch ausgesprochen Glück.

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